Begegnung am See Tiberias - Gedanken zur Ostergeschichte

Begegnung am See Tiberias - Gedanken zur Ostergeschichte

Begegnung am See Tiberias - Gedanken zur Ostergeschichte

# Kirchenjahr

Begegnung am See Tiberias - Gedanken zur Ostergeschichte

Begegnung am See - für die Jünger nichts Besonderes. Bevor sie von Jesus in die Nachfolge gerufen wurden, war für die meisten von ihnen der Fischfang die Quelle ihres Lebensunterhaltes. Später, mit Jesus unterwegs, folgten verschiedene See-Erfahrungen, mitunter stürmische. Und nun kommt es auch nach Ostern zu einer morgendlichen Begegnung am See Tiberias - auch als See Genezareth bekannt. Im Johannes-Evangelium, 21. Kapitel, wird davon berichtet, wie der Auferstandene auf die dort versammelten Jünger trifft.

Zunächst ist da von österlicher Freude oder Begeisterung keine Spur. Triste Stimmung am Ufer, als hätte es noch kein Zusammentreffen mit dem Auferstandenen gegeben. Petrus wollte tun, was sie immer getan hatten. „Ich will fischen gehen“. Die anderen: „Ok, da machen wir mal mit.“ Der alte Trott, das alte Lied. Was sollen sie sonst machen? Hunger musste gestillt werden. „In dieser Nacht fingen sie nichts“, so die traurige Bilanz. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal - Routine kann auch durch trübe Zeiten tragen.

Dann kommt der Morgen. Und Jesus steht schon da, unerwartet, ungerufen und zunächst unerkannt. Vertrautes wird langsam von neuem Licht bestrahlt. „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ So die überraschende Frage. Als hätte er selbst Hunger benennt er doch die Not der Jünger, die ihm aufrichtig antworten: „Nein!“ Weder für sich selbst, noch für andere ist etwas da. Ihre kleine Gemeinschaft hat keine Lebensmittel anzubieten, ist kein Ort der Stärkung oder des Trostes.  

In diese Gemeinschaft hinein spricht Jesus. Die Jünger bekommen etwas zu hören. Sein Auftrag bringt alle in Bewegung: Sie sollen - verrückt genug, am hellen Tag! - noch einmal auf den See hinausfahren und die Netze auswerfen. Die Jünger mögen sich mancherlei gedacht haben - aber sie tun das Gebotene und machen sich an die Arbeit. Und wieder, wie schon einmal am Anfang der gemeinsamen Zeit, haben sie unglaublichen Erfolg. Die Netze drohen zu reißen. Da werden ihnen die Augen geöffnet, brennt ihr Herz: „Es ist der Herr“! Petrus - vor kurzem Verleugner, jetzt Sponti-Enthusiast - wirft sich ins Wasser, will dem Auferstandenen offenbar entgegen schwimmen. Die anderen bleiben bei der Arbeit, sichern Boot und Fang. Offenbar gibt es verschiedene Wege, auf eine überraschende Begegnung mit dem Auferstandenen zu reagieren. Für alle jedoch ist Lebendigkeit zurückgekehrt.

Später werden sie nachzählen, und es sind genau 153 Fische. Etwas Rätselhaftes liegt über dieser Zahl. Soll sie wirklich die Anzahl aller damals bekannten Fischsorten bezeichnen und damit auch einen Hinweis geben auf die Fülle der Menschheit, die von der Frohen Botschaft erreicht werden soll? Dann lädt Jesus sie zum morgendlichen Mahl. Alles ist schon vorbereitet, Fisch und Brot liegen auf einem Feuer. Der reiche Fang der Jünger kommt dazu, ihre Arbeit war also nicht überflüssig, sondern wird zur wichtigen Ergänzung dieses Ostermahles. Jesus nimmt Brot und Fische, teilt beides mit den Jüngern.

Diese Ostergeschichte ist mir wichtig geworden, weil sie undramatisch daherkommt, am Lebensalltag interessiert ist. Am Anfang ein nächtlicher Misserfolg, eine trostlose Situation. Einer kommt dazu, stellt eine unbequeme Frage, die den Ernst der Lage nicht verdrängt. Später erklingt ein lösendes, ermutigendes Wort, das in Bewegung setzt. Die Jünger tun etwas, was befremdlich scheint und sich doch mit wunderbarem Ergebnis als höchst sinnvoll erweist. Am Ende lädt Christus zu erneuerter Gemeinschaft ein. Ein bescheidenes, stärkendes Essen weckt verloren gegangene Lebensgeister.

Mir zeigen sich in dieser Begegnung am See hilfreiche Hinweise für unser Leben als nachösterliche Gemeinde und Kirche:

  • vertraute Routinen, Verzagtheiten, oder trostlose Situationen - es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen. Auch für sie gilt, dass der Auferstandene schon da ist, sich durch sein Wort Gehör verschafft, durch seinen Geist Menschen aus Erstarrung in Bewegung setzen will. Damit sollen wir rechnen, darauf warten.
     
  • Manchmal erkennen andere etwas eher als ich, sehen klarer und weisen mich hin auf Entscheidendes für den Glauben. Die große Chance der Gemeinde: dass wir uns gegenseitig die Augen öffnen können für die Spuren Gottes, heraushelfen sollen aus Zweifeln und Gleichgültigkeit, aus einer Gottvergessenheit, die mit dem Wirken seines Geistes nicht mehr wirklich rechnet.
     
  • Und dann gibt es für die Gemeinde Jesu Christi Wichtiges zu tun, damals wie heute. Weil sie von ihm mit Lebensmitteln versorgt wird, kann sie andere einladen und stärken: Brot bereithalten für Hungernde, Gerechtigkeit einfordern für die, die Unrecht leiden, Bleibe und neue Beheimatung denen anbieten, die unbehaust sind, Räume der Vergebung schaffen, für die, die unversöhnlich einander verletzen, Trost spenden denen, die traurig sind.

Eine österliche Gemeinde ist kein Raum für spektakuläre Vorkommnisse. Sie rechnet mit Begegnungen, die den vertrauten Alltag - nicht fortwährend, aber immer wieder - in ein neues Licht stellen. Bis dahin tut sie das ihr Gebotene. Gerade darin ist sie ein Ort, wo Lebensfreude und Glaubenszuversicht erfahrbar werden. Weil die, die schon dazugehören, es wissen und denen weitersagen möchten, die dazukommen: Der Auferstandene ist da, wir bekommen sein Wort zu hören und er lädt uns auch heute ein zur Tisch- und Weggemeinschaft.

Frohe Ostern wünscht

Pfarrer Christoph Anders

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