Gedanken zu Ostern von Christoph Anders

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Gedanken zu Ostern von Christoph Anders

# Kirchenjahr

Gedanken zu Ostern von Christoph Anders

Ostern feiern Kirchen die Auferstehung Jesu Christi, und damit den Sieg des Lebens über die Macht des Todes. Seit zwei Jahrtausenden bedenken Christen und Christinnen den Zusammenhang von Karfreitag und Ostern, von Kreuz und Auferstehung. Verhalten sie sich zueinander wie Tod und Leben, Ende und Neubeginn, Niederlage und Sieg, Finsternis und Licht, Klage und Jubel? Oder kann das Verhältnis von beiden Ereignissen auch in anderer Weise bestimmt werden? Wie lässt sich eine Frohe Botschaft auch im Kreuz erkennbar machen?

In Süd-Korea habe ich eine beeindruckende Praxis kennengelernt: Dort sind an exponierten Stellen der Landschaft oder auf hohen Gebäuden in den Städten sehr große, weithin sichtbare und in der Dunkelheit erleuchtete Kreuze aufgerichtet. In den Kirchen einiger Konfessionen findet sich der Brauch, Kreuze von hinten anzustrahlen. Etwa seit dem 5. Jahrhundert gibt es in der christlichen Kunst Versuche, das Kreuz mit dem biblischen Symbol des Lebensbaumes zu verbinden. Letzterer findet sich in der Paradieserzählung (Gen.3) und im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes (z.B. 2,7). Gott hat nach dem Sündenfall Adam und Eva aus dem Paradiesgarten vertreiben, damit sie nicht auch noch vom Baum des Lebens essen – und dadurch ewig leben würden. Für die vertriebene, jenseits von Eden lebende Menschheit öffnen Kreuz und Auferstehung Christi nach Gottes Plan den Menschen im Glauben den erneuten Zugang zum Paradies, ewiges Leben. So verstehen es einige neutestamentliche Texte. Für das ursprünglich verlorene Paradies hängen am Baum des Lebens Äpfel, dort windet sich die Schlange. Am Lebensbaum des durch Jesus Christus wieder eröffneten Zugangs zum Paradies hängen Ähren und Trauben, Brot und Wein - die Gaben des Abendmahles als paradiesischer Vorgeschmack. Christus wird verstanden als neuer Adam. In modernen Passionsliedern wird dieser Zusammenhang aufgenommen: „Du schöner Lebensbaum des Paradieses, gütiger Jesus, Gotteslamm auf Erden. Du bist der wahre Retter unsres Lebens, unser Befreier (EG 96,1). Oder: „Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht, ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht“ (EG 97,1).

Diese Vorstellung steht auch hinter den Versuchen, das Kreuz selbst als Lebensbaum zu gestalten. In einfacheren Formen kann man erkennen, wie sich die klaren Kanten und Enden des Kreuzes in ein Geflecht auflösen, an den Enden stilisierte Blüten, unten ein Wurzelgeflecht aus dem nach oben Ähren und Trauben erwachsen – alles ist miteinander verbunden zum Symbol der Hoffnung.

Eine besonders alte und beeindruckende Tradition findet sich in der armenischen Christenheit mit den sogenannten „Kreuzsteinen“ (siehe auch Titelfoto). In vielfältigen Größen und Ausformungen sind sie Teile einer uralten Kultur, Symbol des Leids dieses Volkes, aber eben auch „Kraftsteine“: Jeder Stein ist ein eigenes Glau­bensbekenntnis, Zeichen felsenfesten Glaubens und Sinnbild christlicher Hoffnung. Das Thema ist die Verbindung von Erde und Kosmos, von Himmel und Erde. Im Zen­trum steht das Kreuz von Golgatha, meist von reichen Ornamenten umgeben: Flechtwerk, Ranken, Weinreben oder Wurzeln.  Es verweist auf den Tod Jesu, wird aber zugleich zum Lebensbaum.  Knospen sprießen heraus und weisen darauf hin, dass in seinem Sterben der Anfang neuen Le­bens verborgen ist. Der Tod wird vom Leben besiegt. Christus teilt die Früchte des alten und neuen Paradieses aus, schenkt das neue Leben in Fülle. Letztere kann mitunter auch durch Paradiesvögel, Pfauen und andere „Beigaben“ bezeichnet werden. Neues Leben aus dem Kreuz, gesehen als österlicher Baum des Lebens. Keine Verdrängung ist das, denn die Form des Kreuzes bleibt in den Darstellungen erkennbar. Aber in einem solchen Blick auf das Kreuz tritt der Schrecken über den Tod zurück, wird umfangen von dankbarer, strahlender Freude über den Sieg des Lebens.

Dass Sie von dieser österlichen Freude ergriffen werden, wünscht Ihnen

Christoph Anders, Pfarrer der Kirchengemeinde Waidmannslust und Alt-Wittenau


Titelfoto: Marcin Konsek / Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43483324

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