Bildmeditation zu Gründonnerstag 2020 von Volker Lübke

Bildmeditation zu Gründonnerstag 2020 von Volker Lübke

Bildmeditation zu Gründonnerstag 2020 von Volker Lübke

# Kirchenjahr

Bildmeditation zu Gründonnerstag 2020 von Volker Lübke

Das Gedenken an Jesu letztes Mahl, an seine Einsetzung des Abendmahls steht am Gründonnerstag im Vordergrund. Und auch wenn in diesem Jahr aufgrund des Gottesdienstverbots die Tradition des Tischabendmahl unterbrochen werden muss, richten  wir uns an diesem Abend am Leidensweg Christi aus, denn mit jenem Mahl ist ja auch der Verrat durch Judas Iskariot eng verknüpft, beginnt quasi der Weg ans Kreuz.

Doch andererseits weist uns das Abendmahl ja auch auf all das hin, was Jesus verkündigt und uns verheißen hat. Zahlreich sind die Darstellungen in der Kunstgeschichte von der Einset-zung des Abendmahls, vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern.

Ein Bild übertrifft allerdings in seiner Bekanntheit und in seiner kunstgeschichtlichen Wir-kung alle anderen bei weitem: Es ist das von Leonardo da Vinci geschaffene Wandbild im Refektorium des Klosters Santa Maria delle Grazie in Mailand. Leonardo hat es in den Jahren 1495 – 1498 geschaffen und schon diese lange Zeit lässt uns ahnen, mit welcher Sorgfalt der große Künstler an diesem Bild gearbeitet hat.

Jesus und seine Jünger sitzen oder stehen alle an einer Seite des gedeckten Tisches. Das Brot liegt bereit und Jesus, ganz im Mittelpunkt des Bildes hat seine Arme einladend ge-öffnet. Durch diese Geste werden wir als Betrachter mit an diesen Tisch geladen. Die Jünger, jeweils in Dreiergruppen einander zugeordnet, sind in Bewegung. Einige wirken erschreckt, weichen zurück, ob dessen, was Jesus gerade gesagt hat. Anderen ist die Erregung, sind die Fragen, die Jesu Worte ausgelöst haben, an Gesicht und Körperhaltung abzulesen.

Es ist der Moment der Verratsankündigung, den Leonardo da Vinci hier festgehalten hat. „Wahrlich ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten.“ Die Erschütterung, die diese Worte Jesu ausgelöst haben, ist in den Gesichtern, den Blicken und Gesten der Jünger erkennbar.

Ganz links auf dem Bild sehen wir Bartholomäus, Jakobus den Jüngeren und Andreas. Ihr Blick ist auf Jesus gerichtet, wie gebannt schauen sie und Andreas hat seine Hände abwehrend erhoben. Daneben Judas, Petrus und Johannes. Anders als in manchen anderen Abendmahlsdarstellungen steht Judas mitten zwischen den Jüngern.

Mit der einen Hand hält er einen Geldbeutel, die andere entspricht genau der gespreizten Hand Jesu. Leonardo unterstreicht: Der Verrat geschieht nicht durch einen Außenseiter, sondern durch einen aus dem engsten Kreis um Jesus. Was Judas zu seinem Handeln bewegt hat, können wir dem biblischen Text nicht entnehmen. Es gibt ja sogar die Deutung, dass Judas als einziger wirklich verstanden hat, welchen Weg Jesus zu gehen hatte und sich deshalb in seine Rolle als der ihn Ausliefernde gefügt hat. Manche Ausleger der biblischen Texte vermuten hin-gegen, dass Judas Jesus ausgeliefert hat, um ihn dazu zu zwingen, sich öffentlich als Messias, als König Israels zu zeigen und die Befreiung, die Wende für sein Volk herbeizuführen. Leonardo stellt Judas direkt neben die beiden in der Tradition herausgehobenen Jünger Petrus und Johannes. Es wirkt so, als ob Judas auf den betrübten Johannes einredet und sich Petrus von ihm weg beugt. Auffallend sind auch die weiblichen Züge des Johannes. Sie haben zu der Interpretation geführt, dass Leonardo hier statt des sogenannten Lieblingsjüngers Maria Magdalena in das Bild eingefügt hat. Jesus mit rotem Gewand und blauem Überwurf scheint in Richtung seiner nach oben gedrehten linken Hand zu blicken. Sein Gesicht wirkt abwesend, als ob es sein kommendes Leiden vorwegnimmt.

Rechts von ihm sitzen und stehen Thomas, Jakobus und Philippus. Auch ihre Hände sind erhoben, zeigen – wie ihre Gesichter -  Abwehr und Fragen. Am rechten Tischrand sind Matthäus, Thaddäus und Simon zu sehen. Sie haben sich von den übrigen abgewandt und sind miteinander im erregten Gespräch. Ihre Hände allerdings weisen auf die Mitte des Tisches, auf Jesus. Ihre Gesten deuten die Frage an, was das zu bedeuten habe, was Jesus da gerade gesagt hat.

Bei einer Gesamtbetrachtung legt sich nahe, dass der Künstler im unterschiedlichen Verhalten der Jünger die Verschiedenheit des menschlich-en Wesens abbilden wollte. Er deutet damit zugleich an, dass Jesus jeden mit seiner eigenen Haltung an den Tisch des Herrn lädt, dass er für jeden offen ist, selbst für den, der ihn herausfordern oder sich gar von ihm abwenden will.

Jesu Aufforderung an seinen Tisch, an den Tisch des Abendmahls zu kommen, geschieht immer wieder neu und sie gilt allen. Diesen Gedanken unterstreicht auch der Ort, den Leonardo für sein Abendmahlsbild gewählt hat. Denn der Raum, den der Künstler mit seinem Bild ausgestaltete ist das Refektorium, der Speisesaal, des Klosters. Das Bild füllt die Stirn-seite des Speisesaals der Dominikaner.

Die Abendmahlsszene ist dadurch mit den täglichen Mahlzeiten, dem Leben der im Kloster Wohnenden oder der als Gäste dort Untergekommenen verknüpft. Da Vinci deutet damit ein Verständnis des Abendmahls, des Handelns Jesu an, das erst viel später entfaltet wurde und doch zugleich an das Leben der frühen Christenheit erinnert. Er hebt die Trennung von Sa-krament und alltäglichem Leben auf.

Er deutet an, dass beides zusammengehört, das Heilige und das Alltägliche. Alle, die in jenem Speisesaal Platz nehmen, die dort ihre Mahlzeiten einnehmen, sind zugleich eingeladen an den Tisch des Herrn sollen zugleich vom Brot des Lebens essen. Sie dürfen ihre Fragen und

Hoffnungen, ihre Zweifel und Verfehlungen mit an diesen Tisch bringen, denn Jesus nimmt sie an, nimmt sie auf sich. Für alle ist Platz am Tisch des Herrn, das unterstreicht Jesu Geste, das unterstreicht zugleich auch die freie Tischseite.

Und das gilt dann heute auch für uns: Auch wir sind von Jesus eingeladen. Wir sind eingela-den ihm nachzufolgen und an dem, was er uns ermöglicht hat, Anteil zu haben. Wir sind eingeladen mit allem, was wir mitbringen. Mit unseren Fehlern und Stärken, mit unseren Hoffnungen und Ängsten. Wenn wir Jesu Einladung folgen, dann nimmt er uns hinein in den Frieden, den er am Kreuz für uns errungen hat.

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(Foto: Wikipedia - Gemeinfrei)

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