Gedanken zum Sonntag nach Ostern 2020 von Sarah Schattkowsky

Gedanken zum Sonntag nach Ostern 2020 von Sarah Schattkowsky

Gedanken zum Sonntag nach Ostern 2020 von Sarah Schattkowsky

# Kirchenjahr

Gedanken zum Sonntag nach Ostern 2020 von Sarah Schattkowsky

Christus ist auferstanden!  Er ist wahrhaftig auferstanden! ...  und doch stecken wir noch mitten in der Krise. Jede und jeder einzelne von uns, die ganze Welt, die Jünger Jesu. Der Kreuzestod am Karfreitag und auch das Wunder am Ostersonntag sind noch gar nicht richtig fassbar. Wir stecken noch, wie die Jünger, in der Unsicherheit fest, im Leid, in der eigenen Trauer. In Zeiten von persönlicher Angst und Anfechtung zeigt sich wie wir Trauer und Angst verarbeiten, wie wir mit Zweifel und Wut umgehen. Dann sind wir unseren Gefühlen oft ausgeliefert. Wir hadern mit allem und jedem. Und wir selbst geraten in Zweifel darüber, was richtig und falsch; was gut und schlecht ist. Und plötzlich droht alles, was einst so sicher war; alles, woran man einst glaubte auf der Kippe zu stehen. Wir werden zu Grüblern und Zweiflerinnen und vermuten überall Unheil und Betrug. 

Die Bibel erzählt von vielen Situationen in denen Menschen in tiefste Zweifel über Gott und die Welt geraten. Glauben und Vertrauen fällt in solchen Momenten schwer. Aber nicht nur Momente von Tod und Trauer sind schwer zu begreifen, auch schöne Momente können wir manchmal gar nicht richtig wahrhaben. Wundersame Begegnungen, unverhofft frohe Nachrichten oder plötzliche Glücksmomente sind

manchmal genauso unbegreiflich für uns, und wir betrachten sie mit Skepsis. In solchen Momenten sind wir zwischen Glaube und Zweifel hin und her gerissen. Das ist zu gut um wahr zu sein. Ich glaube, weil es so wunderbar ist, aber ich lebe gleichzeitig in der Katastrophe, die mich zweifeln lässt. Thomas, einer der Jünger Jesu, scheint nach  dem Ostergeschehen mit diesem ambivalenten Gefühl zu kämpfen.  

Thomas, gehörte zum Kreis der Zwölf. Er war jedoch nicht dabei gewesen, als Jesus gekommen war. Die anderen Jünger berichteten ihm: Wir haben den Herrn gesehen!  Er erwiderte: Erst will ich selbst die Löcher von den Nägeln an seinen Händen sehen. Mit meinem Finger will ich sie fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen. Sonst glaube ich nicht!  

Thomas ist der Zweifler. Er gilt als der Ungläubige, der nicht genug Gottvertrauen hat um auch ohne Beweis, den er sehen und berühren kann, an das Auferstehungswunder zu glauben. Er wird oft belächelt und gerügt für seine Schwäche und für seinen offenbar fehlenden Glauben. Aber Thomas steckt noch mitten in der Katastrophe. Er ist noch im Schock und ganz mit seiner Trauer um den getöteten Freund beschäftigt. In diesem Moment der Hilflosigkeit soll er an die unfassbare Auferstehung glauben? 

Glaube und Zweifel schließen sich meiner Meinung nach nicht aus. Sie gehören sogar unbedingt zusammen. Glaube als ein Akt des Vertrauens ist gar nicht so einfach. Besonders in schwierigen Situationen ist das ein Kraftakt. In dem Moment, in dem man sich schwach fühlt an ein Wunder zu glauben, ist es umso schwieriger. Manchmal schaffen wir das einfach nicht. Manchmal ist einfach nicht genug Kraft oder Hoffnung in uns.   

In diesen Momenten kann der Zweifel ein Motor sein, der uns vorantreibt. Der Zweifel lässt uns aktiv werden und wir suchen und ringen um das, was wir eigentlich schon längst im Herzen tragen. 

Ich glaube nicht, dass Thomas ungläubig ist oder weniger Vertrauen in Gott hat. Er ist noch auf der Suche. Er ist noch zu nah an der Katastrophe. Sein Weg führt ihn erst noch durch den Zweifel hindurch. Sich von der Trauer befreien und aus der eigenen Isolation ausbrechen, schafft er indem er sieht und berührt. Manchmal  brauchen wir das, um wieder in die Welt zurück zu finden. Manchmal müssen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes an etwas festhalten um aus der Katastrophe hervorzugehen. Große innere Stärke oder ein verlässlicher Glaube, auf den man sich jederzeit stützen kann, kommt vielleicht nicht einfach aus purer Gewissheit oder Selbstsicherheit, sondern viel mehr aus Verletzlichkeit und Zweifel. Das sind zutiefst menschliche Gefühle, die ihren Raum haben dürfen und die uns, wie Thomas, voranbringen. Wenn wir Zweifel positiv nutzen, mit der Hoffnung ihn in Vertrauen wandeln zu können, dann  ist der Zweifel eine Triebkraft, die uns weitermachen lässt und im Glauben erneuert. 

Acht Tage später waren die Jünger wieder beieinander. Diesmal war Thomas mit dabei. Da kam Jesus noch einmal zu ihnen. Er trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit  euch! Dann sagte er zu Thomas: Nimm deinen Finger und untersuche meine Hände. Strecke deine Hand aus und lege sie in die Wunde an meiner Seite. Du sollst nicht länger ungläubig sein, sondern zum Glauben kommen! 

Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! 

(Sarah Schattkowsky, Vikarin der Kirchengemeinde Alt-Wittenau)

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