Gedanken zum Sonntag Miserikordias Domini 2020 von Sabine Lettow

Gedanken zum Sonntag Miserikordias Domini 2020 von Sabine Lettow

Gedanken zum Sonntag Miserikordias Domini 2020 von Sabine Lettow

# Kirchenjahr

Gedanken zum Sonntag Miserikordias Domini 2020 von Sabine Lettow

Predigttext für den Sonntag „Miserikordias Domini“ 26.4.2020
1. Petrus 2, 21-25:

„Denn dazu seid Ihr berufen, da auch Jesus Christus gelitten hat für euch und hat euch ein Vorbild hinterlassen, dass Ihr seinen Fußstapfen nachfolgen sollt. Er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand, der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet, der unsere Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leib auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid Ihr heil geworden. Denn Ihr wart wie die irrenden Schafe, aber Ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof Eurer Seelen.“

Der gute Hirte ist das Leitbild dieses Sonntags. Der Psalm 23 wird gebetet: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser....Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“

In vielen Lebenslagen ist dieses Gebet wie ein warmes helles Licht, das Bild vom „guten Hirten“, der seine Schafe an die schönsten Weideplätze führt, der auch in finsterer Schlucht noch Orientierung und Hoffnung bietet, der uns selbst in größter Anfechtung noch den Tisch bereitet. Das Gegenbild ist der Hirte, der nur auf sich selbst bezogen ist, nur an den Profit denkt, den er aus seiner Herde ziehen kann und sich nicht um das ihm Anvertraute kümmert.

Nun gehört der Anblick vom Hirten und seiner Herde für uns Großstadtmenschen lange nicht mehr zur Alltagswelt, trotzdem verstehen wir es sofort. Die Psychologen sagen, das Hirtenmotiv gehöre zu den Urbildern unserer Seele. Diese Bilder sind im Menschen lebendig, selbst wenn die Möglichkeiten zur äußeren Anschauung begrenzt sind. Ein ähnliches Urbild ist das des Königs. Auf der politischen Bühne sind die Könige längst entmachtet oder ganz von ihr verschwunden, aber in unserem Innern sind sie als Urbilder nach wie vor lebendig.

So entsteht also vor unseren Augen das Bild des Hirten inmitten seiner Herde. Die biblischen Erzählungen geben diesem Hirten ein Gesicht. Das Gesicht des Hirten Abel, der durch die Hand seines Bruders Kain starb. Das Gesicht des Mose, der die Schafe hütete seines Schwiegervaters, als Gott ihm seinen Namen feurig ins Herz schrieb. Das des Propheten Amos aus Tekoa, des ersten Schriftpropheten. Schafhirte war er, als Gott ihn von der Herde wegholte, damit er Mund Gottes werde. Das Gesicht Davids, gesalbt vom Propheten Samuel. Aus der Schar seiner Tiere wird David gerufen, um Menschenhirte, König zu werden. Und schließlich ist da Jesus selber, der gute Hirte, der sein Leben lässt für seine Schafe. Er ist der Hirte, dessen Fußstapfen uns der 1. Petrusbrief nachzufolgen rät. „Christus hat Euch ein Vorbild hinterlassen“. Ein Vorbild: jemand, an dem wir uns orientieren können, der uns den Weg ebnet und vorangeht.

„Nehmt Euch ein Beispiel…“ Ein Zuspruch ist das, aber auch ein Auftrag. Ein Auftrag, an dem man immer wieder scheitern kann. In diesen Zeiten sind ja Viele einfach müde, weil sie ohnehin so viel Verantwortung aufgeladen bekommen: für die Kinder, die zu Hause betreut und gefördert und bei Laune gehalten werden müssen, für ältere Familienangehörige, für die man unter den Bedingungen des Kontaktverbotes doch irgendwie sorgen möchte, für Kranke, für Freunde und Nachbarn, für die eigene wirtschaftliche Zukunft, die eigene Gesundheit. Und nun noch ein Auftrag mehr? Nimm Dir ein Beispiel an Jesus….Auch noch das!

Nun ist der Petrusbrief, aus dem der Predigttext stammt, nicht von Petrus selbst geschrieben. Sondern hundert Jahre später von einem Menschen, der sich selber bewusst in den Fußstapfen des Petrus sieht, des Jüngers, der in der Nacht, als Jesus verhaftet wird, ihn dreimal verleugnet. Er stellt sich bewusst in die Tradition eines Menschen, der am eigenen Leib die persönlichen Grenzen erfahren hat; eines Menschen, der weiß, wie schnell man an den eigenen Ansprüchen scheitern kann, eines Menschen, der weiß, dass es Zweifel, Fehlentscheidungen und Unvermögen gibt.

Und damit kennt er auch diese Erfahrung: das Gefühl, die Verantwortung für andere nicht länger tragen zu können, den gebannten Blick auf das eigene Unvermögen. Es ist die Erfahrung, die Eltern kennen, wenn sie unter Überlastung an den eigenen Ansprüchen in der Erziehung scheitern. Es ist die Erfahrung, wenn eine Partnerschaft nicht immer so freundlich, tolerant und respektvoll geführt werden kann, wie man sich das eigentlich vorgenommen hatte. Es ist die Erfahrung von Überforderten, die feststellen, dass sie mit ihrem guten Willen manchmal einfach scheitern.

Ganz im Sinne des Petrus, legt der Briefschreiber Zeugnis ab für andere und erzählt, was ihm dann Kraft gibt in schweren Zeiten und woraus wir Kraft schöpfen können: Der Briefschreiber spricht vom „obersten Hirten“, vom Bischof unserer Seelen, von Jesus Christus. Für ihn ist klar: es ist Jesus Christus, der für mich stärkt und für mich sorgt. In Zeiten wie diesen kommen wir immer wieder an die Grenzen unsere Kräfte und stellen fest, wie sehr wir alle auf Hilfe und Schutz angewiesen sind. Der Sonntag vom guten Hirten, der uns von der Menschenfreundlichkeit Gottes erzählt, will uns daran erinnern: Wir sind auch im finstersten Tal nicht von Gott verlassen.

Der Gute Hirte lässt seine Schafe auch im Leid nicht allein. Eine gute Woche wünscht Ihnen

Ihre Pfarrerin Sabine Lettow

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