Passionszeit – Leiden und Leidenschaft | Gedanken von Ute Sauerbrey

Passionszeit – Leiden und Leidenschaft | Gedanken von Ute Sauerbrey

Passionszeit – Leiden und Leidenschaft | Gedanken von Ute Sauerbrey

# Kirchenjahr

Passionszeit – Leiden und Leidenschaft | Gedanken von Ute Sauerbrey

Es blitzt klein und glitzernd aus dem Kragen der Bluse hervor. Es ist mit blauer Tinte auf die Handwurzel meiner ägyptisch-koptischen Nachbarin tätowiert. Es grüßt uns von vielen Kirchturmspitzen: das Kreuz. Das Erkennungszeichen der Christenheit schlechthin.

Dabei ist es überhaupt nicht selbstverständlich, dass das Kreuz zum „Logo“ der Christen geworden ist. Das erste Mal, dass ein Mensch ein Kreuz als Symbol für die Christen malte, geschah das aus Spott über die neue Glaubensrichtung: Eine Kritzelei in einer römischen Kaserne aus dem 2. Jahrhundert zeigt ein Kreuz, daran hängend eine menschliche Gestalt mit einem Eselskopf und daneben eingeritzt die Inschrift: „Alexamenos betet zu seinem Gott“.

Für den römischen Schmierfink war es eine absurde, eine lächerliche Vorstellung, dass man die Darstellung eines schmachvoll Hingerichteten verehren könnte.

Und wenn man mal genauer darüber nachdenkt: Es ist ja wirklich ein starkes Stück, dass wir dieses grausame Folter-Werkzeug, das Kreuz, zu unserem Symbol gemacht haben. Die Kindergruppen, denen ich die Dorfkirche Lübars zeige, spiegeln mir das manchmal: Manche Kinder sehen zum ersten Mal die Darstellung eines Gekreuzigten aus der Nähe und reagieren schockiert.

Und das ist doch eine verständliche Reaktion! Dass wir Erwachsenen nicht mehr so reagieren, zeugt von einer Gewöhnung, einem Abgestumpft-Sein, das doch eigentlich fürchterlich ist.

Ich wünsche uns für diese Passionszeit, dass wir wieder zu einem ehrlichen, kindlichen Blick auf das Kreuz Jesu und auf das Leid der Menschen heute finden. Dass wir unsere Abgestumpftheit, unsere vielen Erklärungen und Entschuldigungen, warum es uns nicht groß kümmert, dass, wie und wo Menschen leiden, hinter uns lassen. Dass wir Leid und Not betrachten ohne die vielen Filter, die wir davorschieben. Denn wir lassen uns ja mehr oder weniger rühren vom Leid der Menschen – je nachdem, ob wir diese Menschen als mehr oder weniger fremd, mehr oder weniger sympathisch, mehr oder weniger „schuld“ am eigenen Leiden empfinden.

Aber all diese Filter und Abstufungen unseres Mit-Leidens werden dem Mann am Kreuz, dessen Leiden wir in der Passionszeit bedenken, nicht gerecht. Seine Liebe galt und gilt allen.

In der Passionszeit blicken wir mit hoffentlich unverstelltem und wachem Blick aufs Kreuz und führen uns vor Augen: Wir glauben an einen Gott, der nicht hoch und unberührbar auf Wolke Sieben thront. Sondern an einen, der sich auf’s Menschsein eingelassen hat. Mit allen Konsequenzen: Geburt in einem elenden Stall und schmachvoller Tod am Kreuz. Dieser Gott ist mit Jesus den Weg der Liebe und Gewaltlosigkeit bis ans Ende gegangen. Daran erinnert das Kreuz. Und daran, dass Gott den ermordeten Jesus nicht bei den Toten gelassen, sondern auferweckt hat. Seine Botschaft der Liebe berührt immer noch Menschen. Lassen wir uns davon anrühren – auch in der Passionszeit 2025!

Ihre Pfarrerin Ute Sauerbrey

 

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